ANFRAGE

Ein heißer Sommer!

Das Jahr 2003 setzt in Deutschland dazu an ein Jahrhundertsommer zu werden. Schon der Juni brachte neue Hitzerekorde und damit manchen Getränkeabfüller ins Schwitzen. Oft zeigen sich erst im Volllast-Dauerbetrieb die Schwachstellen in der Anlage und gerade dann hat man nicht die Zeit um die Linie zu optimieren. Im Folgenden soll ein kleiner Einblick gegeben werden, wie solche Schwachstellen auch bei diesen Rahmenbedingungen erkannt werden können und welche Lösungen sich für häufig zu beobachtende Mängel anbieten.

Fällt der Motor eines Transporteurs aus, so ist dies ärgerlich, aber der Fehler ist schnell gefunden und kann dauerhaft beseitigt werden. Schwieriger sind die vielen kleinen Störungen zu finden, die in ihrer Gesamtmenge und ihren Auswirkungen den Wirkungsgrad einer Abfülllinie enorm beeinträchtigen können. Ein Flaschenklemmer hier, ein für einige Sekunden geschlossenes Ventil dort - das sind die Fehler die kaum bemerkt werden, in der Folge aber zu erheblichen Stillstandszeiten führen können. Informationen über diese Störungen sind in der Regel reichlich vorhanden. Ob es die SPS des Füllers ist, ein Temperaturfühler in der Waschmaschine oder ein Stauschalter vor dem Einpacker - an vielen Stellen werden Informationen erfasst und weiterverarbeitet oder einfach nur angezeigt. Es wird aber in modernen Abfüllanlagen zunehmend schwerer, aus den vorhandenen Informationen die Ursache einer Auswirkung zu erkennen. Wenn z.B. die drucklose Zusammenführung vor der Leergutsortierung leichte Flaschenklemmer über ihre Regelungslichtschranken selbst erkennt und durch entsprechendes Herunterregeln der Bandgeschwindigkeit auch selbst auflöst, so tritt die Fernwirkung in Form von Flaschenmangel am Füller erst viel später auf. Die Informationen, die über die Ursache Auskunft geben könnten, sprich die Signale von der Transportbandregelung, sind aber zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr greifbar.

Genau an diesem Punkt setzen neueste Produkte im Bereich Datensammlung und -auswertung an. Dazu werden die Signale beliebiger Sensoren, Maschinensteuerungen oder Steuer-PCs auf eine zentrale Datenbank gespeist. Sind die Daten dann auf dem zentralen Rechner gespeichert, kann mit der entsprechenden Software jede Störung nachträglich analysiert werden. Der Vorteil liegt auf der Hand. Wer schon einmal versucht hat eine Störquelle zu finden, der macht die Erfahrung, dass er im entscheidenden Moment immer gerade woanders hingeschaut hat. Mit Hilfe der Datenbank kann er sich jede Situation mehrfach ansehen und dabei verschiedene Positionen parallel beobachten. So erkennt man in einer grafischen Darstellung sehr schnell die zeitlich versetzte Auswirkung die ein Fehler am Auspacker auf den Wirkungsgrad des Füllers hatte. Durch die Speicherung der Daten ergeben sich weitere Möglichkeiten. Hat man im Moment keine Zeit für die Fehleranalyse weil andere Sachen wichtiger sind, so kann man sich im Herbst, wenn die Nachfrage geringer ist die Zeit nehmen und sich in Ruhe mit den Daten beschäftigen die im August aufgenommen wurden.

Möglich machen dies kleine Umsetzereinheiten. Sie werden in dem Schaltschrank, in dem das Signal erzeugt wird, installiert und wandeln jede digitale aber auch analoge Information so um, dass sie per Netzwerkverbindung an den Daten sammelnden Rechner übermittelt werden kann. Die Umsetzer sind soweit miniaturisiert worden, dass sich selbst in Schaltschränken die in der Maschine integriert sind immer ein Platz dafür finden lässt. Ein einzelner Umsetzer kann heute viele Signale parallel verarbeiten und weitergeben, wodurch der Aufwand für Installation und Verdrahtung sehr gering gehalten wird.
Bei der Signalübermittlung an die zentrale Datenbank hat sich eine Ethernet-Verbindung als Quasi-Standard etabliert. Durch die Verwendung mehrerer Verteilerpunkte lassen sich mit dieser Technik bei geringem Aufwand weit verzweigte Netze aufbauen, die eine sehr hohe Übertragungssicherheit gewährleisten. Über dieses Netz lässt sich eine lückenlose Überwachung aller Funktionen realisieren.

Was aber findet man im konkreten Fall? Auffallend oft zeigt sich bei der Analyse der Daten, dass der Transport der Flaschen die größten Verbesserungspotentiale bietet. Häufig haben die Bediener das ständige Lösen von Verklemmungen schon so verinnerlicht, dass es gar nicht mehr registriert wird. Während ein Defekt an einer Maschine zielstrebig behoben wird, werden die kleinen Problemchen im Transport als normal angesehen. Hier helfen die neuen Analysetools anhand der aufgenommenen Daten die Ursache einzugrenzen und in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Rechnet man die Verluste durch die Verringerung des Wirkungsgrades hoch, kommt man meistens zu der Erkenntnis, dass sich eine Investition in die Optimierung des Behältertransportes schnell amortisiert.

Als neuralgische Punkte bei Mehrweganlagen erweisen sich dabei oft die Bereiche zwischen Auspacker und Waschmaschine, der Bereich vor und hinter dem Füller und der Einlauf zum Packer. Im Trockenbereich vor der Waschmaschine zählen Fremdflaschen, Fremdkörper und Scherben zu den Verursachern von Störungen. Durch eine mechanische und regelungstechnische Überarbeitung können hier oft 90% der Störungen eliminiert werden.
Im Nassteil ist jeder Füllerstop ein Minuspunkt für den Wirkungsgrad. Moderne Regelungssysteme sorgen durch eine elektronischen Verblockung der Maschinen dafür, dass der Flaschenfluss so lange wie möglich mit voller Leistung läuft, bei mangelndem Nachschub aber eher mit verringerter Leistung konstant durchläuft anstatt mit Vollgas bis zum abrupten Stop zu fahren. Wie die Folgen solch eines abrupten Stops aussehen, lässt sich mit der Datenbankanalyse sehr deutlich darstellen. Die Grafiken zeigen nach solchen Stops in vielen Fällen einen Sägezahneffekt. Erst nach mehreren Starts und Stops wird wieder eine konstante Leistung erreicht. Bei der elektronischen Blockung zeichnet sich die Kurve dagegen durch den harmonischen Lininenverlauf aus. Durch die verringerte Anzahl an Stops wird hier der Wirkungsgrad sehr konstant gehalten.


Der Zulauf zum Einpacker ist die nächste kritische Position. Hier wird ausreichend Flaschendruck benötigt, um die Flaschen auf die richtige Position zu bringen, andererseits führt gerade dieser Druck zum Verklemmen der Flaschen an der Gasseneinteilung. Mit Rüttelgeländern wird versucht die Staus automatisch aufzulösen. Dies gelingt nicht immer. Häufig steht die Maschine bis der Bediener eingreift. Manch einer hat sich dann auch schon gefragt, ob das Rüttelgeländer die Verklemmung womöglich noch begünstigt hat. Aber auch kleine Verklemmungen, die automatisch aufgelöst werden, führen zu kleinen Stops des Einpackers, die kaum wahrgenommen werden, sich aber in der Zahl der produzierten oder besser gesagt nicht produzierten Flaschen wiederfinden. Neue Systeme sorgen hier für einen konstanten Flaschenzufluss. Die Bewegung der Flaschen wird dabei von Sensoren überwacht und bei Bedarf (und nur dann!) werden verfahrbare Geländer so bewegt, dass eine Verklemmung und damit ein Abreißen der Flaschenkette vermieden wird. Durch diesen gezielten Eingriff lassen sich Staus auflösen, bevor der Flaschendruck so angewachsen ist, dass der Flaschenpulk nur noch mit roher Gewalt aufgelöst werden kann.


Damit diese schweißtreibende Arbeit im nächsten Sommer entfällt, muss jetzt schnell in die Datensammlung und Analyse eingestiegen werden. Durch die Umsetzung der sich daraus ergebenden Maßnahmen im kommenden Winter, kann man der nächsten Saison gelassener entgegen sehen. Ins Schwitzen kommen Sie aber hoffentlich trotzdem wieder, denn dieser Jahrhundertsommer wird ja bestimmt nicht der Letzte in diesem Jahrhundert sein.

Bericht entnommen aus der Brauindustrie, Original erschienen im August 2003, Ausgabe 08/2003 Seite 36ff.